Ein ungewöhnlich konstruiertes Flugzeug wird von der Bundeswehr getestet: „Fantrainer“, ein kostensparender Jet-Trainer, der gar kein Jet ist.
Auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Manching, wo es gewöhnlich in allen Tonarten brüllt, jault und winselt, ist ein seltsam anmutender Vogel eingefallen. Er hat weder Propeller noch Jet-Antrieb, trägt zwei Personen und läßt, nach Ohrenzeugen, “ein helles Singen” ertönen.
Das eigentümliche Flug-Gebilde aus Kunststoff und Leichtmetall, Fantrainer AWI-2 genannt, soll von Testfliegern der Luftwaffe auf seine Eignung als Lehrlingsflugzeug für spätere Jet-Piloten erprobt werden.
Technischer Clou des Flugzeugs ist sein einzigartiger Antrieb: Hinter den Tragflächen, mitten im Rumpf, dreht sich — ummantelt wie von einem überdimensionalen Serviettenring — ein siebenflügeliger Rotor, der die Maschine vorwärtspeitscht. Die Kraft für den Rotor liefern zwei je 150 PS starke Wankel-Kreiskolbenmotoren von Audi-NSU, die in Etagen übereinander montiert sind.
“Diese Bauart mit integrierter Mantelschraube”. erläuterte Geschäftsführer Alfred Schneider von der “Rhein-Flugzeugbau GmbH” in Mönchengladbach, Erbauerin des Fantrainers, “ist für uns patentrechtlich geschützt.” Die 400-Mann-Firma, eine eigenständig waltende Tochter von VFW-Fokker, hofft aufgrund der besonderen Flugeigenschaften und ungewöhnlichen Wirtschaftlichkeit ihres Flugzeugs auf einen Serienbau-Auftrag der Bundeswehr — und vielleicht gar der Nato-Partner.
Den Bundeswehr-Fliegern geht es um ein neues Schulflugzeug für Jet-Piloten, das nicht die hohen Kosten eines Jet-Trainers verursacht, gleichwohl aber jetähnliche Flugeigenschaften hat.
Flugstundenpreise zwischen 15 000 und 20 000 Mark “kann sich ja kein Mensch mehr erlauben” (so ein Fantrainer-Techniker). Überdies war es bei der Bundeswehr bisher so, daß sich erst während der teuren Jet-Schulung die entscheidenden Eignungsmängel — etwa jeder dritte Jetpilot-Schüler fällt durch — herausstellten.
Schon im Jahre 1960 hatten die Mönchengladbacher Flugzeugbauer unter Leitung des Ingenieurs Hanno Fischer begonnen, sich mit der Entwicklung von Mantelschrauben-Antrieben einen Vorsprung zu sichern. Als erstes Flugzeug mit einem so gearteten Antrieb erhob sich im Oktober 1973 ein “Fanliner” getauftes Zivilflugzeug der Firma in die Luft.
Der Zweisitzer, von nur einem Wankelmotor als Kraftspender versorgt und von Industrie-Designer Luigi Colani mitgestaltet, wird noch nicht im Serienbau gefertigt (mutmaßlicher Stückpreis: etwa 100 000 Mark), hauptsächlich, weil Audi-NSU den Motor nicht liefern kann.
Mindestens fünfmal so teuer wird der aus dem Fanliner im Auftrag der Bundeswehr entwickelte zweimotorige Fantrainer, dessen Insassen — anders als im Fanliner — hintereinander sitzen. Über den nur 8,94 Meter langen Flug-Zwerg, der wie ein Jet fliegt (Reisegeschwindigkeit: 320 km/h), aber keine höheren Kosten als ein Propellerflugzeug verursacht, jubelte jüngst Firmenchef Schneider nach Beendigung der siebenmonatigen werksinternen Erprobung: “Wir haben das gesteckte Ziel voll erreicht.”
Zu überfliegen bleibt für den Fantrainer nur noch “die letzte Hürde im harten Konkurrenzkampf” (Schneider). Denn zwei weitere Flugapparate, der amerikanische Beechcraft T-34 C “Turbo Mentor” und der schweizerische Pilatus PC-7 “Turbo Trainer”, bewerben sich gleichfalls um den begehrten Bauauftrag der Bundeswehr. Beide sind mit Turbo-Prop-Antrieben ausgerüstet.
Der Fantrainer wird es diesen Rivalen demnächst gleichtun: Obwohl die Mönchengladbacher “mit dem Wankel im Flugeinsatz sehr gute Erfahrungen” gemacht haben, nehmen sie wegen mangelnden Motorennachschubs von ihm Abschied, Einem zweiten, gleichfalls von der Bundeswehr bestellten Prototyp, der im Mai abgeliefert werden soll, installierten sie als Antrieb für den Rotor eine amerikanische Allison-Gasturbine.
Preiswert wie er zu werden verspricht, hat der deutsche Vogel mit den vorgepfeilten Flügeln jüngst sogar bei den Nachrüstern der US-Luftwaffe Interesse erregt.
Die Maschine hat überdies eindrucksvoll nachgewiesen, daß sie trotz der unorthodoxen, den Rumpf quasi teilenden Triebwerksanordnung eine robuste Zelle besitzt. Bei einer Bauchlandung, erzwungen durch eine defekte Fahrwerkhydraulik während der Erprobung, passierte gar nichts. Schleifkratzer an der Rumpfunterseite blieben die einzigen Schäden.
Quelle:https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40617560.html
PDF: SPIEGEL_1978_17_40617560FLUGZEUGE Patentierter Zwerg – DER SPIEGEL